September 01 – Süß? Oder böse? An den Bären in Rumänien scheiden sich die Geister. Vor allem in den wilden Karpaten sind Braunbären jedenfalls allgegenwärtig. In den Gesprächen der Wanderer, der Bauern, der Berg-Dorfbewohner allemal. Aber auch draußen im Wald, weit droben an den Gipfeln, auf Almwiesen oder im Latschengehölz haben wir zumindest Spuren und Hinterlassenschaften von den Raubtieren gefunden.
Bislang galten diese als menschenscheu. So muss man schon viel Glück haben, dass man wirklich einen Bären sieht. Oder sollte man eher von Pech sprechen? Denn nicht jede Begegnung zwischen Braunbär und Mensch geht gut aus – vor allem, wenn einem ein Tier überraschend über den Weg läuft.
Fakt ist: Rumänien gilt als eines der Länder mit der dichtesten Bärenpopulation weltweit – neben Russland und Nordamerika/Kanada/Alaska. Je nach Schätzung leben zwischen 6000 und 8000 Tiere in Rumänien. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren offenbar gestiegen. Es ist nicht ganz klar, ob das wirklich mit dem generellen Verbot der (Trophäen-)Jagd zusammenhängt, das in Rumänien seit 2016 gilt. Jedenfalls gibt es immer mehr Zusammentreffen zwischen Mensch und Bär. Viele Einheimische in den betroffenen Landstrichen sprechen mittlerweile von einer Plage.
In Bergdörfern werden immer häufiger Bären gesichtet, die dort auf Nahrungssuche gehen. Scheinbar hat eine Art Gewöhnung eingesetzt, ihre Menschenscheu haben viele Tiere abgelegt. Zudem haben sie gelernt, dass in der Zivilisation leichte Beute zu machen ist. In der Wildnis werden die Bären von Gerüchen angelockt. Eine Wanderergruppe hat uns den malträtierten Rucksack gezeigt, an dem ein Bär in der Nacht beim Zelten versucht hat, wohl an einen Schoko-Riegel zu gelangen. Selbst in Städten existiert mittlerweile das Problem, dass die Bären gerne Mülltonnen plündern. Abfallbehälter werden „bärensicher“ gemacht, Bauern stellen Elektro-Zäune auf, eine Vergrämung – z.B. mit Gummischrot – ist meist erfolglos.
Auch gibt es immer mehr Attacken: Von 2016 bis 2021 starben laut rumänischem Umweltministerium bei insgesamt 154 Bärenangriffen 14 Menschen, 158 wurden verletzt.
Die Bevölkerung ist zwiegespalten. Der Bär hat in der rumänischen Tradition einen hohen Stellenwert. Die Menschen lieben ihre Baunbären – einerseits. Andererseits wird deren Nähe immer gefährlicher. Vor allem Touristen – nicht nur ausländische – freuen sich über Angebote, die Tiere in freier Wildbahn sehen zu können: Bei der Foto-Pirsch, bei Exkursionen.
Unbedarfte (rumänische) Städter wiederum verschärfen das Problem riskanter Begegnungen, indem sie die Tiere z.B. entlang von Straßen, an Rastplätzen oder Leitplanken füttern und ihnen aus den Autos heraus Nahrung zuwerfen – um Selfies und Fotos zu machen. Es gibt mittlerweile Exemplare, die sich neben den Fahrzeugen aufstellen und Essbares fordern. Auch wir haben solche „Bettel-Bären“ gesehen. Dabei müssten dort eigentlich Schilder stehen: „Bitte nicht füttern“. Echt nicht!
Neben dem Anlocken durch Urlauber trägt aber auch die Zerstörung des natürlichen Lebensraums der Bären – z.B. durch Entwaldung und Abholzung – dazu bei, dass die Tiere dem Menschen immer näherkommen. Dass seit 2023 das Jagdverbot gelockert wurde, halten Tierschützer naturgemäß nicht für den richtigen Weg, um dem Problem beizukommen. Wir wurden beim Wandern vor allem in den Bergen jedenfalls immer wieder gewarnt, Acht zu geben. Manches Mal wird einem schon mulmig – vor allem, wenn man allein beim Blaubeerpflücken oder beim Gipfelsammeln unterwegs ist. Mangels einer Bärenglocke kommt man dann darauf, laute Selbstgespräche im Wald zu führen, immerwährend mit den Wanderstöcken zu klappern oder schlicht zu singen, um vorsorglich auf sich aufmerksam zu machen. Skurril! Dass einmal eine Bärenmutter mit 2 Jungen direkt hinter uns vom Baum geklettert ist, das haben wir glücklicherweise erst später von nachfolgenden Touristen erzählt bekommen.